Die gesundheitliche Situation der Conterganopfer, die nunmehr alle um die 50 Jahre alt sind, wird vor allem durch Folge- und Spätschäden geprägt. Vorzeitige Verschleißerscheinungen, insbesondere von Gelenken und Muskulatur, führen sehr oft zu dauernd anhaltenden Schmerzzuständen.
Die zur Vorbeugung und Behandlung erforderlichen Therapien sind im System der allgemeinen Gesundheitsversorgung aber nicht vorgesehen.
Dies ist umso beschämender, als dass der Staat in der Vergangenheit auf spezifischen Versorgungsbedarf ihm wichtiger Personengruppen sehr wohl passende Antworten gefunden hat. Wenn im Sozialen Entschädigungsrecht Behinderte aufgrund Krieges (BVG), ferner wegen eines Impfschadens (ImpfG) und sogar für Personen, die privat in den Behindertenstand geschlagen wurden (OEG) das umfangreiche Leistungspaket des Bundesversorgungsgesetzes gilt, werden Conterganopfer auf die allgemeinen Sozialkassen verwiesen. Das empfinden wir als einen Skandal!
Dies alles führt dazu, dass selbst die Zahnversorgung der Contergangeschädigten nicht sichergestellt ist. Ohnarmer und andere an den oberen Extremitäten Geschädigte nehmen oft bei einen Großteil ihrer persönlichen Arbeiten ihre Zähne zur Hilfe, da die Hände bzw. die Kraft in den deformierten Händen fehlt. Mit dem hieraus folgenden Bedarf einer adäquaten Zahnversorgung werden sie einfach alleine gelassen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat für die Betroffenen eine besondere Verantwortung übernommen. Es muss den speziellen Bedarfen der „Contergangeschädigten“ Rechnung getragen werden. Dies muss insbesondere bei der Versorgung von Heil- und Hilfsmitteln, der Übernahme von Fahrtkosten auch zu Fachärzten, die sich in all den Jahren mit der Materie „Contergan“ vertraut gemacht haben, gelten.
Auch in orthopädietechnischen Bereichen, bei Prothesen, Rollstühlen, etc. führt die Verweisung auf das allgemeine Gesundheitssystem zu einer massiven Schlechterstellung gegenüber vergleichbar Geschädigten.
Dies führte sogar soweit, dass eine contergangeschädigte Frau vor Gericht geschleppt wurde, weil sie ihre notwendigen orthopädischen Schuhe nicht aus eigener Tasche bezahlen konnte.
Wir empfinden es als unverschämt, dass in der Regel nur ein Paar orthopädische Schuhe je Jahr verordnet wird und den Geschädigten nicht das zugebilligt wird, was sie brauchen, sie wohlgemerkt auch insoweit schlechter gestellt und auf die Sozialkassen verwiesen werden.
Dass Ärzten Angst gemacht wird, Regressansprüchen bei der Verordnung von Heil-, Hilfsmitteln und Therapien durch die Krankenkassen ausgesetzt zu werden, wenn sie ihr „Budget“ überschreiten, ist ein in der allgemeinen Gesundheitsversorgung zur Kosteneindämmung eingeführter Mechanismus, der bei den schwerstgeschädigten Conterganopfern noch für zusätzliche Barrieren sorgt.
Von einem Orthopäden sind so Regressforderungen in Höhe von über. 200 000,-- Euro gefordert worden, weil er den Contergangeschädigten die notwendigen Therapien und Hilfsmittel verordnet hat.
Eine Reform der Gesundheitspolitik für contergangeschädigte Menschen ist mehr als überfällig!
Um die Lebenssituation der durch Contergan Geschädigten zu verbessern, ist es notwendig, die Defizite in der Versorgungssituation zu beheben.
Wir fordern: Aufnahme der Conterganopfer ins Soziale Entschädigungsrecht und Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz!