hallo Stefan,
Du hast Dir einige Mühe mit diesem Posting gemacht, und ich hatte schon den Eindruck, dass er auch (
mindestens ) eine Antwort verdient hätte. Ohne die Dissertation und nicht bloß die Kurzfassung zu
kennen, wollte ich aber nicht schreiben, daher die lange Wartezeit.
"... Also ein Anwalt der zu Gunsten Grünentahls gegen uns entschied wir selbst über den Tot mit
Ehrungen überschüttet. Sucht man jedoch nach eine Dr .Dr. Schreiber Straße
oder Dr. Haverts Straße so sucht man vergebens! Es wäre daher auch an der Zeit
an die Bundesrepublik Deutschland die Frage zu stellen weswegen dieser Herr über seinen Tot hinaus
solche Ehrungen erhält, von dem Land NRW. Dies wäre auch sicherlich ein Diskussionspunkt für die
Studie die sich bis heute nicht traut Neuberger mit Namen zu nennen, ..."
ich mach es mal rückwärts: Die Dissertation geht sehr wohl auf Dr. N. ein. Ich gehe mal davon aus,
dass es weder Grund noch Gelegenheit gab, die Zeitpunkte zu verfälschen.
Damit widerlegt sie das Gerücht - und so kannte ich das Geschehen auch - dass Dr. N. erst der
Verteidiger war, wohl auch DER Verteidiger, und kurz nach seiner Ernennung zum Minister hätte man,
also er im Hintergrund, das Verfahren mit einer lächerlichen Begründung abgewürgt.
Zeitlich passt das gar nicht. Er wurde Ende '66 Minister, das Hauptverfahren begann am 18.1.68 und
endete am 18.12 1970 ( schriftlicher Beschluß ).
Selbstverständlich hätte er sich auch bei unbedingt gewollter Einflußnahme formal herausgehalten,
sonst hätte er seine Karriere geopfert und womöglich auch dann im Prozeß nichts erreicht. Das
beschriebene Verhalten ist also eine norwendige, aber keine hinreichende Bedingung für seine
Neutralität ( mal mathematisch ausgedrückt ).
Wenn ich mir damalige Einstellung bedenke, passt vermutlich der Spruch "Dienst ist Dienst, und Schnaps
ist Schnaps." Also eine gewisse Schizophrenie, die durchaus in der Lage war, Freundschaften beim
Anziehen der Dienstjacke zu vergessen. Auch war er ohne Grünenthal schon jemand, nämlich ein
Starjurist, und nicht nur deren Hanswurst. Trotzdem finde ich es problematisch, dass sein Sozius
weiter verteidigt hat, aber das war damals wohl noch üblich.
Für die Verteidigung wichtiger war sicher Prof. Dr. Dahs, auch, weil seit 1962 dabei.
Straßen für Staatsanwälte, die einen Prozeß nicht gewinnen, gibt es sowieso nicht.
Die Einstellungsgründe für den Prozeß klingen nun mal doof, da gibt es nichts zu beschönigen. Es sind
aber die einzigen, die es gibt. Insoweit war klar, dass nur mit dieser Begründung eingestellt würde.
Die Dissertation macht aber ( für mich ) überzeugend klar, dass es keinnen anderen Weg gab. Geld ohne
Gegenleistung war von Wirtz & Co nicht zu erwarten. Freispruch wäre nach der immer noch
unvollständigen Beweislage nicht drin gewesen, immerhin.
Dann gab es noch einige Strafrechtsreformen, die sicher nicht auf Druck der Wirtz' zustande kamen,
unter anderem die Einführung der absoluten Verjährung. Und ziemlich sicher hätte die Verteidigung, die
meisterhaft verschleppt hat, auch die Revision bis zu deren Eintritt verschleppt.
Nun konnte man die Angeklagen prima damit "ärgern", dass sie pro Woche 2-3- mal einen nervigen Tag vor Gericht verbringen mussten und wegen der 10-Tage-Regel ( max 10 Tage zwischedn 2 Terminen ) keinen vernünftigen Urlaub einlegen konnten; da half das ganze Geld nichts. Bestimmt ein Motiv, sich auf Firmenkosten freizukaufen.
Meine Wertung der Dissertation: das Verfahren selbst erscheint mir nicht skandalgesteuert. Man wird keinen "Bösen" finden, an dem man das Scheitern aufhängen kann. ( Allgemeine Schnarchnasigkeit sehr wohl. ) Auch heute würde so was nicht mit einer Verurteilung enden. Ebenso bombensicher wäre auch heute kein Zivilprozeß zu gewinnen gewesen. Das liegt an der juristischen Denkweise, die dermaßen hohe Beweishürden aufbaut, dass man wohl nachweisen muss, welches Atom genau wann ausgeliefert wurde und wie es im Körper reagiert hat. Leider sind die aber nicht numeriert.
Eigentlich gelingen nur Verfahren vom Typ "Keule auf Kopp, also platt." Bei Duogynon ging es doch genauso schief. Die Kombination "viele Beteiligte und viele Opfer und halbwegs kompexe Mechanismen", wie sie typisch bei "Firmenverbrechen" auftritt, kann einfach systembedingt nicht bestraft werden, auch 50 Jahre später nicht. Dass die Justiz da nicht ernsthaft eine Lösung gesucht hat - es gibt in D zB. kein "Firmenstrafrecht" - ist für mich der eigentliche und bleibende Skandal.