Contergan und kein Ende
Diese Kolumne "Brand aktuell" ist am 16./17. Februar 2013 in "Fulda aktuell" erschienen.
Aus den Kindern sind Erwachsene geworden. Und 50 Jahre nach dem echten Skandal um das Medikament Contergan kämpfen die Opfer noch immer, müssen mit den Folgen leben. Nach einer Studie der Universität Heidelberg sind viele Betroffene unterversorgt, leiden massiv an den Folgeschäden. Manches hätte vermieden werden können durch schnelle Unterstützung. Vielen läuft die Zeit davon.
Mehrere der tapferen Opfer, auch aus unserer Region, haben mir von ihrem Leid berichtet. Bei einer aktuellen Anhörung im Bundestag haben sie höhere Renten, vereinfachten Zugang zu Hilfen und mehr Mitentscheidung gefordert. Zu Recht.
Die Berliner Koalition hat jetzt beschlossen, für höhere Renten wie bessere medizinische Versorgung jährlich bis zu 120 Mio. EURO zusätzlich zur Verfügung zu stellen.
Mit der neuen Contergan-Entschädigung sieht sich die Volksvertretung quasi in einer moralischen Verpflichtung gegenüber den Opfern, obwohl diese Verantwortung für Leid und eine gerechte Entschädigung eigentlich allein beim Pharma-Unternehmen Grünenthal liegt.
Es ist normalerweise nicht Aufgabe des Staates, mehr als 50 Jahre später für einen unglaublichen Arzneimittelskandal eines Unternehmens einzuspringen, das sich leider Jahrzehnte lang weitestgehend seiner finanziellen und moralischen Verantwortlichkeit verweigert hat. Doch den Opfern heute mehr zu helfen, ist einfach richtig und nötig.
Erst auf Intervention und massiven Druck der Bundesregierung war Grünenthal vor 5 Jahren zu einer "Goodwill-Aktion" bereit. Der Bundestag beschloss einstimmig (!) eine Verdopplung der Entschädigungszahlungen, erst danach erklärte sich Grünenthal bereit, „freiwillig“ eine viel zu niedrige Sonderzahlung zu leisten.
Grünenthal geht es finanziell blendend, der Umsatz liegt bei jährlich rund 1 Mrd. EURO. Grünenthal muss sich endlich ohne wenn und aber seiner Verantwortung stellen. Nach 50 Jahren noch immer ein himmelschreiendes Unrecht.