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Für ein selbstbestimmtes Leben

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Bassum - BASSUM (al) Seit Jahren kämpft Brigitte Speer aus Bassum für ihr Recht auf eine angemessene Entschädigung. Brigitte Speer zählt zu den wenigen noch lebenden Contergan-Opfern (wir berichteten bereits). Vor Monaten schloss sich die Bassumerin dem Contergan-Netzwerk an, das vor knapp zwei Wochen eine Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht hat.

„Wir fordern eine angemessene und gerechte Entschädigung“, sagt Brigitte Speer, die zusammen mit zehn weiteren Betroffenen die Klage erarbeitet hat. Sprecher und Vorsitzender des Netzwerkes ist Christian Stürmer aus Ostfildern.

In der Verfassungsbeschwerde heißt es: „Wir beantragen, dass der Gesetzgeber Vorschriften erlässt, wonach, mit Wirkung ab dem 1. Oktober 1972, Personen, die durch Contergan geschädigt wurden, mindestens Leistungen in einer Höhe erhalten, mit denen sie ein selbstbestimmtes Leben führen können – bezogen auf den jeweiligen Behinderungsgrad. Mindestens aber insoweit, wie Arzneimittelgeschädigte nach privatrechtlichen Vorschriften Ansprüche haben.“

Gerügt wird in der Klage, dass der Staat gegenüber den Conterganopfern seinen Pflichten nicht nachkomme: „Der Staat hat mit Paragraph 23 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung ,Hilfswerk für behinderte Kinder‘ alle Ansprüche der Opfer gegen die Firma Grünenthal ausgeschlossen, ohne Rücksicht auf die ausreichende Versorgung der rund 2 650 Überlebenden in Deutschland zu nehmen.“ Weiter heißt es: „Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts müsse der Staat deshalb selbst die Versorgung der Contergan-Opfer sicherstellen, was er allerdings nur völlig unzureichend erfüllt. Deutsche Contergangeschädigte erhalten Renten in Höhe von nur 252 bis 1 116 Euro im Monat – im Vergleich zu anderen Ländern sind das die geringsten Entschädigungsleistungen, die im Rahmen des Contergan-Skandals für Thalidomid-Geschädigte gezahlt werden.“

Brigitte Speer erhält eine Frührente in Höhe von monatlich 498 Euro. Ihr ganzes Leben lang sei sie benachteiligt worden, sagt sie. Hänseleien fingen bereits im Kindergartenalter an. „Die Kinder schimpften mich Krüppel“, erinnert sie sich. Zahllose Untersuchungen und Operationen musste die heute 50-Jährige über sich ergehen lassen.

Speer besuchte die Sonderschule, machte den Hauptschulabschluss und zog nach Großbritannien. Sie fand Arbeit und lernte ihren Mann kennen. Früh begannen die Folgeschäden, kaputte Knie, Schulterdysplasie, Bandscheibenvorfälle im Halswirbelbereich, Kraftlosigkeit, Depressionen. Speer ist berufsunfähig, zu 80 Prozent schwerbehindert. Ohne ihren Ehemann käme sie nicht zurecht. Sie befürchtet, dass ihr Mann und später ihre Kinder die Rechnungen bezahlen müssen, „die eigentlich die Firma Grünenthal zahlen müsste“. Aus diesem Grund kämpft sie für ihr Recht, und aus diesem Grund schloss sie sich dem Netzwerk an.

Die mitmachenden Personen stammen aus dem gesamten Bundesgebiet. Wegen der Entfernung und aufgrund der Behinderungen der Betroffenen und der daraus resultierenden Inmobilität kommuniziert die Gruppe hauptsächlich per Internet.

WWW.

contergannetzwerk.de

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